Eine Bild-Geschichte
von
Maureen Seidel
Als ich vor einigen Wochen von meiner Kollegin und Freundin
Marie mit den Worten "Ich hatte mir gedacht, Silvi ein beleuchtetes Bild
zur Einweihung zu schenken" angesprochen wurde, konnte ich nicht ahnen
was auf uns zukommt und dass es uns fast an den Rand des Wahnsinns bringen
würde. Marie und Silvi, gut bürgerlich, eigentlich Silvia, sind Zwillingsschwestern.
Silvi hatte gebaut und wollte in nächster Zeit ihr neues“ Schlafen und
Wohnen“ beziehen.
Marie und ich hatten uns an einem Nachmittag bei uns zu Hause im Atelier
getroffen, um die Gestaltung des Bildes zu besprechen. Marie kam wie immer
vor-pünktlich und in völliger Hektik. Auf den angebotenen Cappuccino verzichtete
sie deshalb auch; sie wollte schnell wieder los. Wahrscheinlich liefen
im Fernsehen in irgendeinem Programm wieder 22 Herren hinter ihrem Leder
her und sie wollte auf keinen Fall auf dieses Spektakel verzichten, Bild
hin oder her. "Das Bild muss nicht so groß sein, es soll über das Sofa
und guck mal, da kommt schon der Schornstein". Sie fuchtelte mit ihren
Armen und zeigte damit etwas, das für mich nach einem großen Tier aussah,
doch verstanden habe ich nichts. Und weil für sie, die Erklärung ausreichend
war, nahm sie ihren Autoschlüssel und wollte sich, nach einem Blick auf
ihren Zeitmesser, verabschieden. Mit einem für mich außergewöhnlichen
Hechtsprung versperrte ich ihr den Weg zur Tür. "Moment, ich habe da noch
ein paar Fragen. Wie lang ist denn das Sofa?“ "Ja, das weiß ich noch nicht,
das müssen wir erst noch aussuchen." "Okay, und welche Maße soll das Bild
denn haben?" " Na so wie das da?" Sie zeigte auf ein schwarzes Leuchtbild.
"Gut, also 50x60cm." "Welche Farbgestaltung und was für ein Motiv soll
darauf?" "Braun soll es sein und eine Vase mit Blumen hatte ich gedacht."
Jetzt muss man wissen, das Stillleben noch nie mein Ding waren und eine
Vase mit Blumen wohl die Krönung vom Ganzen wäre. "Igitt, nee so einen
Schrott mache ich nicht." ,war meine Antwort. Da der Hintergrund braun
werden sollte, einigten wir uns auf ein silbernes Ornament. Eine Zeichnung
wurde gemacht, von Marie abgenickt und weg war sie. Sicher hatte die zweite
Halbzeit schon angefangen, denn der Angstschweiß stand ihr auf der Stirn.
Ich habe also alles mit Kai (mein Mann) abgesprochen und dieser machte
sich gleich am nächsten Tag auf, um das Holz zu organisieren. Die Schablone
für das Bild hatte ich angefertigt und den Keilrahmen vorbereitet. Als
soweit alles bereit war, rief Marie an. Sie kam gleich zur Sache: "Du
Maureen, das Bild muss doch größer sein." Ich schluckte schon, fragte
aber höflich: “Wie groß denn?“ “Ja so wie die in eurem Wohnzimmer“ "Okay,
also wie die im Wohnzimmer, dann also 80x80cm?“ Antwort gab es keine mehr,
denn sie hatte schon wieder aufgelegt. Nach diesem Anruf habe ich dann
völlig ruhig mit Kai gesprochen. Und um ihn zu besänftigen, bin ich mit
ins Bauhaus gefahren, um neues Holz zu holen. Dort fand ich in einem Regal
eine Glückwunschkarte, auf der ein Krug mit nur einem Zweig abgebildet
war. Die nahm ich mit, um sie Marie zu zeigen. Vielleicht kam es dem nahe,
was sie ursprünglich wollte, und da ich ja sowieso wieder ganz von vorn
anfangen musste, war es eh egal. Kai fuhr dann vom Bauhaus aus direkt
zu ihr. Das Motiv gefiel ihr, doch nun mussten wir noch einmal die neuen
Farben besprechen. Hätte ich nur nicht nachgefragt. "Braun, also Braun
muss unbedingt da rein und Grün, Mintgrün . Das erschien mir komisch.
Ich fragte noch mal nach. "Doch Mintgrün, die Farbe mag Silvi gerne. Sonst
nichts anderes. Mach es nicht so aufwendig“. Naja, Holz hatten wir wenigstens
schon. Ich bestellte den passenden Keilrahmen und mintgrünes Papier. In
der Zwischenzeit machte ich eine neue Schablone und bereitete alles vor.
Kai baute den neuen Holzrahmen im Keller. Das Papier traf einige Tage
darauf mit der Post ein. Schön wie alles klappt, dachte ich mir, doch
leider war das Mintgrün viel zu dunkel. Ich holte meine Aquarellfarben
raus und färbte die nötigen Bögen selbst ein. Nach dem Trocknen wurde
es zugeschnitten angepasst und - das Telefon klingelte, Maries Nummer
erschien. Kurze Überlegung, gehst du ran oder nicht? Egal, was konnte
schon passieren. "Du Maureen, Silvi hat sich jetzt das Sofa gekauft. Also
ein quadratisches Bild passt jetzt gar nicht. Es müsste länger als breit
sein." Ich brauchte ein paar Sekunden, um mein Porzellan wieder aus der
Telefonmuschel zu bekommen, in die ich gerade gebissen hatte. Alles Mögliche
ging mir durch den Kopf: Was steht noch mal auf Notwehr? "Wie groß denn?"
fragte ich "Größer als 80x80“. Wir einigten uns auf 80X100cm.
Kai holte neues Holz. Maureen machte eine neue Schablone und färbte neues
Mintpapier. Als wir mit allem fast fertig waren, hatten Marie und ich
wieder zusammen Dienst. Man muss sich die Situation vor meinem Asthma-Anfall
so vorstellen: Ich saß am Schreibtisch und hackte gerade auf die Tastatur
meines Computers ein. Marie betrat mit ihrer gewohnten Hektik das Büro
und erzählte freudestrahlend, dass sie tags zuvor Farbe einkaufen waren.
"Für welches Zimmer denn?",war meine Frage "Ja für alle. Weiß für die
Decken, Lila für das Schlafzimmer und Apfelgrün für das Wohnzimmer?" Ich
drehte mich langsam um und schnappte nach Luft. "Apfelgrün?" "Ja klar,
Apfelgrün, wie das Bild, damit es alles zusammen passt. Du weißt doch,
dass Silvi nicht alles so bunt haben will." Ich stammelte nur: "Mintgrün.
Mintgrün hast du gesagt." "Ja. Mintgrün oder Apfelgrün, ist doch alles
das gleiche!". Als ich wieder eine normale Hautfarbe hatte und der Sauerstoff
wieder in der Lunge angekommen war, schleifte ich sie am Kragen zu einem
Bild das im Flur hing. "Das da ist Mintgrün. Du hast gesagt Mintgrün“.
"Iih, das ist Mintgrün? Nee, Apfelgrün habe ich gemeint. Ist das schlimm?
Kannst du das noch schnell ändern?" Man fasse zusammen: Es sollte ein
kleines Bild sein, das zu einem großen wurde. Es sollte quadratisch sein,
dann rechteckig und nun noch auf Apfelgrün geändert werden. Also doch
Notwehr dachte ich. Damit komme ich vor Gericht durch. Aber nein: Ich
bestellte 10 Bögen Papier in allen möglichen Grüntönen. Kai brauchte kein
neues Holz. Als die Wand von Silvis Wohnzimmer gestrichen wurde, bekam
ich einen Farbklecks, und als die besagte zweite Lieferung mit Papier
angekommen war, haben wir alles aufeinander abgestimmt und das Bild konnte
zusammengesetzt werden. Kai saß im Keller und wartete noch auf den Anruf,
dass er neues Holz besorgen muss. Brauchte er aber nicht. Nun ist das
Bild fertig und die Geschichte dazu, sollte man verfilmen.
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